Galerie Hermeyer
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Abb.: Grand chemin, 2005,
Öl auf Leinwand, 200 x 260 cm

Benjamin Moravec  Malerei
neue Arbeiten | 27.10.05– 17.12.05
Ausstellungseröffnung am 27.10.05 ab 19.00 Uhr.

Benjamin Moravecs Bilder sind Gemälde im klassischen Sinn. Hinter dieser lapidaren Feststellung steckt weniger die Tatsache, dass seine Landschaften und Architekturen, Bildnisse und Räume auf rechteckige Leinwände in Öl gemalt sind, sondern Überlegungen, welche Ursachen, Folgen und Wirkungen aus den Bildern zu schließen sind. Diese Schlussfolgerungen sind nicht aus Bildgeschichten zu ziehen, sondern aus dem Bild als Ganzem. Sie lassen sich behaupten aus der Verbindung eines Motivs mit seiner Darstellung und seinem Material. Das Verhältnis dieser drei Bestandteile ­ das auf die einfache Formel gebracht werden kann: Was ist wie womit gemacht? ­ ist dabei eben so wichtig wie die einzelnen Aspekte. Die drei Fragen zum Bild zu beantworten setzt voraus, es sorgfältig zu betrachten und wahr zu nehmen. Vier weitere Fragen kann man davon trennen: Wer es wann und wo gemacht hat, ist zumindest für die zeitgenössische Kunst in der Regel einfach zu beantworten. Die Frage nach dem Warum schließlich sollte jeder selbst bedenken. Die einfachste Antwort variierte die alpinistische Anekdote der Frage nach dem Warum einer Besteigung des Mount Everest und müsste für die Malerei lauten: Weil es sie gibt.

Benjamin Moravecs Gemälde sind vielleicht am besten durch Überlegungen zu einem Werk zu erfassen, das wie ein Scharnier zwischen anderen, jüngeren und älteren Arbeiten steht. Das große Bild ist auf zwei einzelne Leinwände gemalt, ohne dass es ein Diptychon wäre; beide Leinwände zusammen geben ein Bild. Es zeigt eine scheinbar banale architektonische Situation: Wir erkennen die Seitenwand einer Straßenunterführung, auf deren linkem, hell verputzten Teil eine Plakatfläche angebracht ist. Doch an Stelle eines Werbeplakats wurde auf diese Fläche ein eigenständiges Bildmotiv gemalt. Das Bild im Bild zeigt eine Ansicht des berühmten Gartens von Claude Monet in Giverny mit dem Seerosenteich, welcher dem so genannten "Vater des Impressionismus" seine späten Motive lieferte. Wobei hier kein Gemälde des französischen Meisters kopiert ist, sondern der Schauplatz an Hand einer Fotografie übernommen wurde, um eine eigene Fassung zu schaffen. Was für ein Verhältnis zur Tradition! Ist es der Effekt einer Verfremdung, das Bedienen am Bekannten, um eine zeitgenössische Collage herzustellen? Nein, es ist ja kein Monet, der die Werbefläche füllt. Die Tradition ist nicht Steinbruch, sondern gedankliche Anregung.
Das Bild des Seerosenteichs geht über die Kunstgeschichte hinaus.

Es liefert das Klischee von in sich abgeschlossener Schönheit, es ist das
Motiv eines arkadischen Traums. Ein Wunschbild. Es ist ein Widerspruch zur und zugleich eine Versöhnung mit der Umgebung, denn der Seerosenteich scheint nicht feindlich umzingelt von grauer Banalität. Die architektonische Situation der Straßenunterführung, dieses scheinbar zufälligen Ortes ­ eines Un-Ortes ohne Identität, austauschbar, roh und zweckmäßig ­ mag den Meisten in der Realität nichts hergeben. In den Augen des Malers werden sie zum Leben erweckt. Sie tragen die Farben, das Licht spielt mit ihnen. Doch bleibt das Motiv an sich ungeeignet für inhaltliche Projektionen. Hier greift das Bild im Bild ein und bietet dem Betrachter einen Ort, mit dem er seine Wünsche nach dem schönen Bild verbinden kann.
Hat er diesen Schritt getan, vielleicht sogar widerwillig, so hat er sich aber ins Bild begeben und muss sich nun die Frage nach dem Verhältnis der Teile zueinander stellen. Er könnte sich zu wundern beginnen: Bei dieser Kunst wird alles schön, schön in einem neuen Sinn. Die Graffitis an der Wand fügen sich in wahrstem Sinn des Wortes taktvoll ein in die übrige Bearbeitung der Situation. Die Wand aus hellroten und braunen Ziegeln unter
der dunklen Betondecke, die den rechten Teil des Gemäldes überbrückt, korrespondiert malerisch mit dem Bild des Seerosengartens neben ihr.
Auf der Werbefläche, wo üblicher Weise mit allen möglichen Effekten um Aufmerksamkeit geheischt wird, ist Platz für das Wunschbild, das sich nicht in den Vordergrund spielt, sondern von dem aus nun Erkundungen der malerischen Schönheit des übrigen Bildes ausgehen können. Und dann wird aus den scheinbar widersprüchlichen Teilen das Eine: Malerei. Die vielen einzelnen Farbnuancen sammeln sich im Auge zu einem vielstimmigen Ton. Diese Mischung erinnert vielleicht an einen Ozean, auf dessen ausgedehnten Farbwogen reine Farben wie kleine Schaumkronen aufblitzen. Licht und Schatten sind nicht zu widerstreitenden Effektpartien getrennt, sondern ordnen sich unter; wenn es sein muss, treten sie ihre physikalischen Rechte an die Herrschaft der Bildharmonie ab. Die lebendige und vibrierende Oberfläche hat jedoch auch klare Grenzen in einer räumlichen Komposition, in Rahmen, Kanten und Fluchten.

Benjamin Moravecs Malerei lässt eine allgemeine Beobachtung zu:
Er entscheidet sich nicht für die Spezialisierung auf einen einzelnen malerischen Aspekt, sondern ist bestrebt, diese Aspekte zu Gunsten der Malerei als Ganzem zusammenzuführen. Die Frage nach Abstraktion oder Figuration, Expressivität oder Sachlichkeit stellt sich nicht. Kein Stil, keine Manier fassen die Malerei in eine vorhersehbare Form, sondern am Anfang steht nur Eines: Die Suche nach einer repräsentativen Lösung für ein gesehenes Bildmotiv. Hier liegt sicher eine Ursache der Bilder, nämlich im Bekenntnis, dass sie als Gemälde wahr sind in ihrer Verbindung von Motiv und Repräsentation. Die gemalte Unterführung repräsentiert ­ Malerei!
Sie verleugnet diese nicht, sondern stellt sie in den Vordergrund als ehrliches Bekenntnis zu Malerei. Die Suche ist Ursache, die Repräsentation ist Folge. Die Wirkung könnte vielleicht sein, ein Gefühl der Dauer zu erfahren. Dem alltäglichen, schnellen Verbrauch an Bildern steht diese Malerei entgegen, deren Details immer neue Verbindungen eingehen; Malerei, die zeitlich gegenwärtig ist ­ präsent ­, und zugleich immer wieder das Betrachten lohnt.
Jochen Meister

 

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